Wie ich zum Hypochonder wurde


Nun ja, um das zu beantworten, muss man sich erst einmal die Frage stellen, was so ein Hypochonder überhaupt ist. Bei mir gibt es da noch keine definitive Aussage, vielmehr ist es eine Selbstaussage, bzw. die meiner Freunde. Ich mach mir viele Gedanken über meine Gesundheit, habe ständig andere Krankheiten (es gibt eigentlich keinen Tag an dem ich nichts habe) und kann mich auch wunderbar in etwas hereinsteigern.

Der Doktor in Spe


Ich glaube angefangen hat alles mit einem allgemeinen Interesse am menschlichen Körper und Medizin. Ich war das kleine Mädchen, das beim Kinderarzt schon immer alles ganz genau wissen wollte und immer nachgefragt hat was wie warum funktioniert, oder eben gerade nicht funktioniert. Serien wie „Es war einmal … das Leben“  legten höchstwahrscheinlich die ersten Bausteine für meine weitere Hypochonder-Karriere.

Mein Opa


Als ich etwa 10 Jahre alt war, erkrankte mein Opa an Lymphdrüsenkrebs. Für mich als kleines Kind war das sehr schlimm, da ich immer Opas Liebling war und wir, abgesehen von unserer Körpergröße auch sehr viele gemeinsame Charakterzüge, wie das Schreiben und die Liebe zum Musizieren hatten. Sein Leidensweg war lang und seitdem machte mir die Krankheit Krebs immer besondere Sorgen.

Ein Hirntumor gegen die Angst


Diese verstärkten sich im Jahre 2001, als ich ein Telefonat meiner Mutter zufällig mithörte, in dem immer wieder die Worte „Kerspintomographie“ und „abwarten“ fielen. Ich kannte das Wort bis dato nur aus dem Fernsehen und wusste, dass es irgendwas mit Krebs zu tun hatte. Nun ja, dass das nicht immer sein muss, lernte ich später. Es stellte sich heraus, dass meine Mutter seit 30 Jahren einen Tumor in ihrem Hirn trug, der so langsam wuchs, dass er sich erst nach dieser langen Zeit durch Sehstörungen bemerkbar machte. Eine Welt brach für mich zusammen, bedeutete Hirntumor für mich doch gleich immer Tod. Doch meine Mutter belehrte mich eines Besseren: Der Tumor wurde in einer komplizierten Operation entfernt und stellte sich schließlich als gutartig heraus. Meine Mutter trug keine weiteren Schäden davon und es kam auch nie ein neuer Tumor nach. Meine Angst vor Krebs und Tumoren war erst einmal um ein Deutliches geschrumpft.

Diesmal trifft mich das Schicksal selbst


Bis zu dem Tag im Jahr 2006, an dem ich einen Anruf meiner Frauenärztin bekam, etwas stimme mit meinem Abstrich nicht. Mein erster Gedanke war eine Infektion, die man sich als Sauna-Fan leider öfters zuziehen kann. War es aber nicht. Zellveränderungen lautete das Stichwort. Am Gebärmutterhals. Meine Frauenärztin meinte, es sei nicht wirklich bedenklich, so etwas kann passieren, man sollte aber Vorsicht walten lassen und sie vorsichtshalber entfernen lassen. Dies geschah kurz darauf in einer ambulanten Operation in der Frauenklinik, den ich auch gut überstand und bald wieder fit und sorgenfrei war. Leider war bei der OP nicht alles entfernt worden und so musste ich nochmals unter’s Messer zur Nachbesserung, bei der letztlich auch alles verschwand. Doch der Horror: Die Zellen waren schon weiter verändert als man zuerst dachte: PAP 3d – Carcinoma in Situ. Es ist schon Krebs, doch er hat die Zellmenbran noch nicht übertreten. Da jedoch alle Zellen restlos entfernt wurden, müsste ich mir keine weiteren Sorgen machen.

Wahrscheinlich unwahrscheinlich


Tat ich aber: Man sagte mir Papilloma-Viren tragen ca. 93% aller Menschen, die schon einmal Sex hatten in sich. Bei ca. 3% führen sie zu Zellveränderungen. Von diesen 3% würde sich nochmals im Laufe von bis zu 10 Jahren Krebs daraus entwickeln. Und ich sollte jetzt also zu diesen 3% von 3% von 93% gehören? Ab da war sie ständig da: Die Angst. Ich begann meinem Körper zu misstrauen und bei jedem kleinsten Zeichen sofort Alarm zu schlagen. Eine kleine Unwahrscheinlichkeit hatte sich bei mir bewahrheitet, warum sollte das nicht auch mit anderen Unwahrscheinlichkeiten passieren?
Weitere Abstriche waren nach dieser Zeit glücklicherweise wieder gut und ich begann mich zu beruhigen. Trotzdem fühlte sich ab da jeder Frauenarztgang an, wie der letzte Gang zum Henker. Jedes Mal war die Angst mein Begleiter. Ich hatte das Pech in meiner neuen jobbedingten Heimat an eine ziemlich voreilige Frauenärztin zu geraten, die mir bei einem positiven Essigtest (damit kann man veränderte Zellen dort unten sichtbar machen) gleich dazu riet, meine Familienplanung sofort durchzuführen und mir danach sofort den ganzen Apparat dort unten herausnehmen zu lassen (besonders toll, wenn man sich gerade erst von seinem Freund getrennt hatte). Ich lief sofort zu meinem Spezi in der Frauenklinik der meinte, dass dies ausgemachter Schwachsinn ist und dass der Essigtest auch kleinste Entzündungen und Reizungen zeige und kein Grund zur Sorge sei. Letztendlich war es auch ein Fehlalarm und ich bin immer noch im Besitz meiner Gebärmutter und bester Gesundheit.

Der Hypochonder ist geboren


Doch der Hypochonder in mir war zu diesem Zeitpunkt schon längst geboren und wurde durch immer mehr kleine Ereignisse genährt: Ein nicht mehr ganz so astreines Muttermal, das zu Glück entfernt wurde, ständige Kopfschmerzen, Schwankschwindel, Sehprobleme, Magenprobleme usw. gaben immer wieder neuen Anlass zur Sorge sowie genervte Ärzte, bei denen ich im Laufe der Zeit Stammkundenstatus erlangte. Eine Ursache wurde nie gefunden, außer: Stress und Angst. Ich konnte es natürlich nie glauben, dass der Körper allein aus psychischen Gründen solche Symptome hervorbringen konnte und bin natürlich immer weiter zum nächsten Arzt gerannt. Ein großer Punkt, der das Hypochondrieren zu dieser Zeit so einfach ist, ist das Internet. Das Internet ist Gift. Überall Diagnosen und Erfahrungsberichte. Alles passt natürlich wunderbar ins Bild und macht es noch einfacher, sich seine Krankheit in den schönsten Farben und Formen auszumalen. Ich weiß, ich sollte das googlen lassen. Einfach gesagt als getan.

Das Kribbeln


Seit Anfang diesen Jahres ist ein allerdings neues Phänomen dazugekommen, was mich wirklich besorgt: Das Kribbeln. Keiner weiß woher es kommt. Man vermutet, es ist psychosomatisch. Könnte aber auch von anderer Stelle kommen. Mein Kribbeln ist mein neuer Begleiter und ein so komplexes Thema, dass ich davon in einem gesonderten Kapitel berichten werde: Hier geht’s zum Kribbeln.

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